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Nachgefragt bei Christine Tschütscher, Vorständin der BfG Genossenschaft

Donnerstag, 14. Mai 2015 – von

Nachgefragt bei Christine Tschütscher, Vorständin der BfG Genossenschaft

Christine Tschütscher sieht Herausforderungen beruflicher oder privater Natur sportlich. „Hürden sind da, um genommen zu werden“, sagt Tschütscher – Schirennläuferin wollte die studierte Betriebswirtin eigentlich einmal werden.

Doch aus der angepeilten schnellen Talfahrt wurde nichts. Stattdessen wählt sie ihre Route „mit einem ausgewogenen Maß an Erfahrung, Neugierde und Gelassenheit“ wie sie sagt. Tschütscher sammelte vielfältige berufliche Erfahrungen in der Banken- und Telekommunikationswirtschaft ebenso wie im Non-Profit-Bereich. Den Stationen Erste Österreichische Sparkasse und Schöllerbank folgten Mobilfunker One und schließlich der Verein „Dialog“ für individuelle Suchtberatung. Ab August 2014 engagiert sie sich zunächst als Projektleiterin des Projektes Bank für Gemeinwohl, seit dem Firmenbucheintrag (18.12.2014) der BfG Eigentümer/-innen- und Verwaltungsgenossenschaft als Vorständin.
Im Interview an ihrem aktuellen Arbeitsplatz an der Ecke Rechte Wienzeile/Grüngasse antwortet Christine Tschütscher offen, aber überlegt auf viele Fragen. Im Gespräch strahlt die heute 53-jährige, verheiratete Managerin erwartungsvolle Zuversicht aus.

Nach deiner bisherigen Berufslaufbahn bist du nun Bankgründerin – was fasziniert dich an diesem Projekt?

Für mich schließt sich mit dem Projekt Bank für Gemeinwohl der Kreis. Dass ich hier mitarbeiten darf, ist fast schon eine Symbiose aus allen Stationen meiner bisherigen Berufslaufbahn. Zuerst Firmenkunden-Betreuerin bei zwei Banken, danach beim damals größten Start-Up- Unternehmen in Österreich und zuletzt Geschäftsführerin in einer NGO mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Aspekte aus allen drei – sehr unterschiedlichen – Wirtschaftsbereichen sind es, die hier gefragt sind. Im Projekt Bank für Gemeinwohl kommt die Kraft jedoch aus der Zivilgesellschaft – das ist das Spannende. Das Faszinierendste sind aber zweifelsohne die Menschen, die ich schon kennenlernen durfte und mit denen ich gemeinsam an der Gründung der Bank arbeite.

Eine Bank zu gründen ist ja kein alltägliches Unterfangen – eine Bank für Gemeinwohl schon gar nicht. Wie hast du von der Idee erfahren und wieso hast du dich dazu entschlossen, mitzutun?

Für mich bedeutete ein Bankprojekt mit dieser Vision Neuland. Ich kannte zuvor auch keine vergleichbaren Institute aus dem Ausland. Auf das Projekt Bank für Gemeinwohl bin ich durch meinen Mann gestoßen. Er hat das Büro in der Grüngasse schon vor mir gesehen und mich darauf aufmerksam gemacht. Als mir dann auch noch eine ehemalige Kollegin von der Ausschreibung als Projektleiterin erzählt hat, ist alles sehr schnell gegangen. Ich habe ein persönliches Gespräch geführt, konnte mich mit den Zielen identifizieren und zwei Wochen später war ich engagiert.

So schnell geht es bei einer Bankgründung vermutlich nicht in jeder Phase zu. Nach dem aktuellen Zeitplan werdet ihr wahrscheinlich Ende 2016 als Bank arbeiten können. Viele Schritte sind noch zurückzulegen – welche sind eure nächsten?

Ende April haben wir unseren Kapitalmarktprospekt aufgelegt, ein wichtiges Dokument für die Erlangung einer Banklizenz. Als nächsten Schritt werden wir unsere rund 600 Vereinsmitglieder dazu aufrufen, das Gründungskapital bereitzustellen. Das wird eine sehr intensive Phase.

Wichtig ist, dass wir dabei Tag für Tag unser großes Ziel nicht aus den Augen verlieren. Es gehört eine Portion Optimismus und Inspiration dazu. Leichter fällt es sicher, wenn wir Spaß daran haben, Innovationen umzusetzen, aber auch die nötige Gelassenheit aufbringen, um Hürden aus dem Weg zu gehen oder sie zu überspringen. So entsteht der sprichwörtliche „lange Atem“, den wir bestimmt brauchen werden.

Wie findest du in arbeitsreichen Phasen den nötigen persönlichen Ausgleich?

Ich gehe gern ins Theater, Wien bietet hier viel Abwechslung. Mit meinem Mann besuche ich das Akademie- und Burgtheater, mit meiner Schwester das Volkstheater und mit meiner Freundin gehe ich ins Theater in der Josefstadt. Außerdem lese ich gerne. Zuletzt habe ich wieder in „Die geheimen Spielregeln der Macht“ von Christine Bauer-Jelinek reingeschmökert  und „Geld“ von Christian Felber gelesen. Derzeit widme ich mich mit großer Freude Arno Geigers „Selbstportrait mit Flusspferd“.

Was hat dir im Projekt Bank für Gemeinwohl zuletzt die meiste Energie gegeben, was war das motivierendste Erlebnis für dich?

Mich begeistert, dass Menschen zu uns kommen und von sich aus sofort aktiv eine Aufgabe übernehmen. Schon bei der dritten Besprechung habe ich oft den Eindruck, dass sie schon ewig im Projekt mitarbeiten. Daraus wächst meine Zuversicht, dass wir mit einem solchen Team der Vision einer Geschäftsphilosophie nahekommen, die ich gern als mein persönliches Credo bezeichne: „Geld ist nicht der Mittelpunkt. Geld ist Mittel. Punkt.“

Danke für das Gespräch!