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"Herzblut kann in keiner Bilanz ausgewertet werden!"

Diethold Elisabeth in Küche
Donnerstag, 23. Juni 2022

"Herzblut kann in keiner Bilanz ausgewertet werden!"

Das Landhotel Yspertal im südlichen Waldviertel in Niederösterreich ist seit 2015 Mitglied bei der Genossenschaft für Gemeinwohl. Beim aktuellen Crowdfunding-Projekt SonnenStrom geht es um Photovoltaikanlagen für die Dächer. Das Hotel ist aber schon lange eine Drehscheibe des Wandels in Österreich – wie das geht, und was für ihn unser Geld- und Finanzsystem damit zu tun hat, beschreibt Geschäftsführer Diethold Schaar im Interview mit Carolin Nemeth-Wallitzky.

 

Lieber Diethold, das aktuelle Crowdfunding-Projekt für eine Photovoltaikanlage ist nur ein Teil deines Engagements, das Landhotel Yspertal nachhaltig zu führen. Was macht ihr noch und wie kam es zu diesem Weg?

 

Da trifft sich persönliche Betroffenheit mit unternehmerischem Interesse. Ich bin erschüttert darüber, wie ignorant viele Menschen gegenüber den Themen unserer Zeit sind und damit die Lebensqualität der kommenden Generationen und möglicherweise sogar die Zukunft unserer Erde aufs Spiel setzen. Daher möchte ich als Unternehmer zeigen, dass es auch anders geht und der Weg der Nachhaltigkeit – trotz knapper Ressourcen und schwieriger Finanzierungen – vor allem eine Frage des Wollens ist.

 

Als Tourismusunternehmen leben wir zu einem beträchtlichen Teil von der Natur und dem Einsatz und Können unseres Teams. Wir drehen an vielen kleinen und großen Schrauben, um unsere Klima- und Ökobilanz und die unserer Gäste zu verbessern. Wir wollen – sowohl auf Unternehmensebene als auch als Impulsgeberin für unsere Gäste – Wirkung erzeugen und zum Nach- oder Bessermachen einladen.

 

Yspertal Buffet

 

Wir sind seit vielen Jahren zu 100 Prozent biozertifiziert, unsere Putz- und Waschmittel sind ökologisch unbedenklich, wir kultivieren eine Vielfaltsküche in der es keine Verschwendung gibt, bei den Renovierungen setzen wir möglichst auf natürliche Bau- und Dämmstoffe (Holz, Stroh, Kalk), für die Energiegewinnung errichten wir demnächst eine Photovoltaikanlage, und wir arbeiten daraufhin, möglichst bald unsere – leider noch vorhandene – Ölheizung durch eine Biomasseheizung zu ersetzen.

 

Zur Nachhaltigkeit gehören für uns ganz wesentlich Themen des Umgangs miteinander, der Kultur und der allseitigen Wertschätzung. Unsere Mitarbeitenden sind die eigentlichen Chefinnen im Haus, und wir erwarten von allen, dass sie auch so gesehen werden. Kunst und Kultur ist im Haus allgegenwärtig und auch mir persönlich ein großes Anliegen. Die Wertschätzung sollte eine Grundhaltung allem und allen gegenüber sein – dem Grashalm und der Biene gegenüber genauso wie dem zahlenden Gast, der arbeitenden Mitarbeiterin oder den Lieferanten, die uns mit all den wunderbaren Produkten und Dienstleistungen versorgen.

 

Du hast dich als Unternehmer immer wieder kritisch zum Geld- und Finanzsystem geäußert, was treibt dich dahingehend an?

 

Ein System, das ganz offenkundig für enorme Ungleichheit unter den Menschen sorgt, kann kein gutes System sein. Wir sind schon seit langem an einem Punkt angelangt, wo das Geld- und Finanzsystem eine Wertigkeit in unserem Leben einnimmt, die es niemals haben hätte sollen. Was einst zur Unterstützung für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen entwickelt worden ist, hat sich so verselbstständigt, dass sich unser gesamtes Denken und Handeln auf allen Ebenen nur noch dem Geld- und Finanzsystem unterordnet. Das ist absurd. Es geht darum, unsere Intelligenz, unsere Kreativität, unsere Leidenschaft und Energie für etwas anderes einzusetzen als damit bloß Geld zu vermehren, das letzten Endes vor allem für die Zerstörung unserer Lebensgrundlage und die Zerstörung der Gemeinschaft eingesetzt wird.

 

Als KMU in Österreich sind wir natürlich zu einem großen Teil den Spielregeln des herrschenden Systems unterworfen. Ganz persönlich möchte ich mit unserem Landhotel als wirtschaftliche Einheit auch zeigen, dass ein Unternehmen mehr ist, als in den Unternehmenskennzahlen und Jahresberichten abgebildet wird. Das Herzblut und der Einsatz, mit dem wir für unser Projekt arbeiten, können in keiner Bilanz ausgewertet werden. Das kann man nur sehen, indem man uns besucht und kennenlernt.

Wir versuchen daher auch im Bereich der Finanzierung neue Wege zu gehen. Neben dem Crowdfunding für die Photovoltaikanlage sind wir gerade dabei die Finanzierung des Hotels auf alternative Systeme umzustellen. Für die Renovierungen haben wir einen Vermögenspool aufgesetzt, in den Menschen, die uns kennen, gerade nicht benötigtes Geld einlegen. Die Zinsen, die wir dafür bezahlen, kommen ihnen zugute und nicht mehr dem globalen Finanzcasino.

 

Wie hat sich deine Beziehung zur Genossenschaft für Gemeinwohl entwickelt?

 

Ich bedauere zwar noch immer, dass die Gründung einer Bank für Gemeinwohl nicht möglich war – gleichzeitig finde ich es wichtig, dass die Genossenschaft an dem Geldthema dranbleibt und vielleicht ebenso gute Wege findet, hier zu wirken. Mir ist es jedenfalls ein großes Bedürfnis, das Gemeinwohl zu einem Prinzip des persönlichen und des unternehmerischen Handelns zu machen. Jede Person, jedes Unternehmen, jede Körperschaft und jede Organisation, die diese Idee unterstützt ist wichtig – je mehr es davon gibt, umso besser wird es uns allen gehen!

 

Danke!

 

>> Zum Crowdfunding-Projekt SonnenStrom