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Geld gemeinsam gestalten – mit Loris Knoll

Loris Knoll spaziert
Freitag, 3. März 2023

Geld gemeinsam gestalten – mit Loris Knoll

Loris ist seit 2016 Mitglied der Genossenschaft für Gemeinwohl. Vor einigen Wochen erklärte er sich bereit, uns beim Umstieg von Twitter auf Mastodon zu helfen. Die Übung ist geglückt! Loris ist gerade am Abschließen seines Raumplanungs-Studiums an der TU Wien. Außerdem (bzw. konsequenterweise?) begeistert er sich fürs Zu-Fuß-Gehen: Im Rahmen des Projekts GRÜNGRÄTZLWEGE.at entwickelt und dokumentiert er Spazierrouten durch Wien. Hier im Bloginterview teilt Loris seine Gedanken über Geld und das Gemeinwohl.

 

Lieber Loris, was bedeutet Geld für dich?

 

Egal ob ich an den persönlichen Nutzen oder darüer hinaus denke, stoße ich auf viele Ambivalenzen. Geld ist für mich einerseits eine faszinierende und praktische Erfindung der Menschheit, andererseits inzwischen ein Thema mit unübersichtlichen Auswüchsen, u.a. wie es aus dem Nichts geschaffen werden kann, wenn ich etwa an die renommierte Doku "OECONOMIA" von Carmen Losmann denke. Es heißt bei Geld, es sei nicht alles, und andere Werte wären wichtiger, andererseits kann es, wenn es fehlt, ein Ausdruck fehlender Wertschätzung einer Tätigkeit sein. Vielleicht kann ein bedingungsloses Grundeinkommen diesen Zwiespalt einmal kompensieren? Geld kann als Lenkung zur Abmilderung von Krisen und hin zu einer Ökologisierung unseres Wirtschaftens genutzt werden (z.B. CO2-Steuer), ermöglicht dann aber manchen, die viel davon haben, mitunter ein "Freikaufen", das dem Klima nicht ausreichend hilft. Und es kann uns als Gesellschaft mit dem Thema der Bequemlichkeit herausfordern: Manchmal unpraktisch scheinende Münzen und Banknoten können durch personalisierte Karten und Apps ersetzt werden, obwohl auch die Möglichkeit, den Alltag datensparsam zurücklegen zukönnen, in irgendeiner Form gesamtgesellschaftlich betrachtet erhaltenswert und der Resilienz dienlich wäre.

 

Was bedeutet Gemeinwohl für dich?

 

Gemeinwohl ist für mich keine starre zu erreichende Marke, sondern ein Begriff, der regelmäßig neu zu diskutieren ist. Das Ziel ist wohl immer ungefähr, möglichst vielen Menschen inklusive kommender Generationen die Möglichkeit auf ein gutes Leben zu geben. Gemeinwohl fällt mir besonders auf, wenn es wo fehlt. Wenn ich wo etwas gesellschaftlich grundlegend schieflaufen sehe oder sich entsprechende künftige Entwicklungen abzeichnen, dann meistens, weil es in irgendeiner Form am Gemeinwohldenken mangelt.

 

Ich bin auf jeden Fall dafür, den Begriff umfassend, breit und auch langfristig zu denken, dann kann er sowohl im Kleinen in der Gegenwart unser Leben bereichern, als auch große Herausforderungen und Hindernisse in der Zukunft schon im Vorhinein freiräumen oder zumindest darauf vorbereiten.

 

Genaus wie es Greenwashing gibt, kann mit dem Begriff Gemeinwohl auch gespielt werden, um spezielle Interessen zu unterstützen. Je nachdem wie ernst er genommen wird und wie weit bei der Beurteilung die Systemgrenzen gezogen werden, bleibt am Ende viel oder nur eine Kulisse von ihm übrig – das sehe ich nicht nur, aber auch in meinen Fach- und Interessensgebieten Raum- und Verkehrsplanung. Zum Beispiel wird manchmal eine Enteignung von Menschen für den Bau einer Autobahn mit Gemeinwohl begründet, da später viel mehr Menschen die Straße nutzen als Menschen davor enteignet werden – auf der anderen Seite kann der Bau einer solchen Straße letztlich nach der Eröffnung durch gestiegene Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden zu viel höheren externen Kosten führen als vielleicht ein Nutzen eintritt. Und es hätte womöglich gemeinwohlorientiertere Alternativen zur Bewältigung der Mobilität gegeben. Spätestens seit Herausforderungen wie der Klimakrise sind bei der Ermittlung des Wegs zu Gemeinwohl manche Prioritäten zu verschieben. Womit ich wieder beim ersten Satz bin: Gemeinwohl ist für ich ein Begriff, der regelmäßig neu zu diskutieren ist. Diskussion erleichtert im übrigen auch den Blick aufs Ganze und kann sogar manchmal das Gefühl, "draufzuzahlen" durch Verständnis oder Engagement ersetzen.

 

Dürfen wir etwas mehr über dich erfahren, und warum du dich mit der Genossenschaft für Gemeinwohl für einen Wandel im Geld- und Finanzwesen engagierst?

 

Durch mein Raumplanungsstudium an der TU Wien ist Gemeinwohl ein stets begleitendes Thema. Was ich dort auch gelernt habe, ist, Systeme nicht zu eng zu denken, da sonst zu viele Aspekte unberücksichtigt bleiben. Egal mit welchen Herausforderunge man sich in den eigenen Fachbereichen beschäftigt, sei es Klima- und Bodendiversitätskrise oder Verkehrswende, ist die Einbettung ins gesellschaftliche System immer spürbar. Und da gibt es im Schatten der Aufmerksamkeit noch einige Stellschrauben, an denen verstärkt gedreht werden sollte. Wenn sich dann gerade in einem solchen noch nicht so beleuchteten, aber dennoch essentiellen Themenbereich Menschen zusammenfinden, um mit ihrem Engagement Strukturen für ein gutes Leben für alle zu schaffen, freut mich das besonders und finde ich das unterstützenswert. Ich denke, ohne vermehrtes Gemeinwohldenken im Geld- und Finanzsystem ist keine der aktuellen Krisen zu bewältigen.

 

Mich erfreuen aber auch Kleinigkeiten oder Entdeckungen, die ich dann gerne weitergebe, wenn ich neue Orte erkunde, egal ob mit dem Zug an fernere Orte oder als Spaziergang ums Eck. Die Vielfalt unbekannter Stadtviertel erstaung nicht nur mich oft, daher habe ich in Wien die GRÜNGRÄTZLWEGE.at erstellt – das sind Spazierrouten quer durch verschiedene Teile der stadt, von Parks bis Gassen, von Wäldern bis zu Grätzln und von schön bis kontrastreich – immer mit Fokus auf unbekannte Winkel und Gegenden. Oft kann das Entdecken von Details den Blick aufs Ganze verbessern, in welcher Form auch immer, aber meistens bereichernd – in dem Fall ganz ohne Geld. :)

 

Danke!