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Geld gemeinsam gestalten – mit Ferdinand Bammer

Portrait Ferdinand Bammer
Sonntag, 30. Mai 2021

Geld gemeinsam gestalten – mit Ferdinand Bammer

TU Wien-Mitarbeiter Ferdinand Bammer ist seit Februar Mitglied in der Genossenschaft für Gemeinwohl – und er liebt schöne Projekte. Ferdinand bezeichnet uns als „kreativen Haufen“ und erzählt im Gespräch mit Anna Erber über seine Erfahrungen mit dem „Renditescheffeln“, über Lieblings-Investments in Zusammenhang mit seiner Segel-Leidenschaft und seine Vision für Ingenieure ohne Grenzen.

 

Lieber Ferdinand, was ist Geld für dich, was Gemeinwohl?

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt so beantworten kann. Es ist hier auf jeden Fall nicht mein erstes Investment in eine moralisch überzeugende Sache, ich stecke mein überschüssiges Geld jetzt schon seit Jahren in Initiativen wie zum Beispiel Oikocredit. Dort habe ich das meiste, und das funktioniert auch gut, ich bin recht zufrieden.

 

Wie bist du auf uns gestoßen?

Ich habe Christian Felber persönlich getroffen, und er hat mir die Genossenschaft für Gemeinwohl empfohlen. Dann habe ich länger gebraucht, bis ich mich durchgerungen habe – ihr zahlt ja gar keine Zinsen, damit musste ich erst mal klarkommen! Ich finde Zinsen von 10 Prozent auch pervers, aber moderate Zinsen, ein oder zwei Prozent, das fänd ich eigentlich richtiger, vor allem weil ich ja auch einen jährlichen Administrationsbeitrag leiste. Also bei euch verliere ich definitiv :)

 

Ich vertraue darauf, dass du unsere Konstruktion und Arbeitsweise verstehst, siehe Beitrittsinfos :)
Du scheinst dich intensiv für alternative Anlageformen zu interessieren – ?

Ja, ich habe momentan ein Lieblings-Investment, in das ich gerade am liebsten Geld reinstecke. Ich bin seit klein auf ganz verrückt auf maritime Themen, auf Meer, Seefahrt und Segelschiffe, und organisiere hobbymäßig Segelturns im Mittelmeer. Vor zwei Jahren bin ich auf jemanden gestoßen, der ein altes Segelschiff aufgekauft hat, das in den 50er Jahren in ein Motorschiff verwandelt wurde und seither in einem Hafen von Sizilien im Schlamm verrottet ist. Er macht wieder ein Segelschiff daraus, um damit Kakao, Schokolade, Rum usw. aus Südamerika über den Atlantik zu transportieren.

 

Das klingt toll, gibt es eine Website?

Die Website heißt www.brigantes.eu. Man kann schon jetzt deren Kaffee-Eigenmarke kaufen, sie wird mit anderen Frachtseglern transportiert. Mit den heutigen Mitteln kann man Stürmen ganz gut ausweichen. Zu Normalzeiten hängt sich so ein Segelschiff einfach in einen Passatwind hinein und lässt sich rübertreiben über den Teich. So wie’s eben schon vor hundert Jahren funktioniert hat!
Gern mal anschauen, ist ein sehr schönes Projekt. Wenn du segelaffine Leute kennst – im September werde ich einen Segelturn organisieren und das Schiff und die Werft besuchen. Ich darf dann auch selbst daran mitwerken, hoffe ich stell mich nicht zu patschert an :)

 

Wann und wie ist dir bewusst geworden, dass du dein Geld anders anlegen magst als auf den konventionellen Wegen, die man so kennt?

Das ist schon länger her. Christian Felbers Buch „50 Ideen für eine bessere Welt“ hat damals in meine Suche gepasst – kritisch und engagiert bin ich beim Thema Umweltschutz schon seit der Schulzeit gewesen, aber das war ein fokussiertes Interesse. Andere Themen wie soziale Verantwortung hatte ich damals noch nicht verstanden, und auch dass in der Finanzwirtschaft vieles falsch läuft, habe ich erst spät kapiert – sicher auch durch dieses Buch. Das hat sicher den Ausschlag gegeben. Vorher habe ich auch versucht mit Aktien zu spekulieren, Rendte zu machen und billiges Geld zu scheffeln – habe aber Geld verloren, das ist mir auch recht geschehen :) Heute mache ich das nicht mehr, ich habe keine Aktien mehr und auch nicht vor, hier nochmal zu investieren. Ich schließe es nicht komplett aus, aber es gibt genug andere spannende Dinge.

 

Mit welchem Ziel  hast du damals investiert? Um die Pension abzusichern, oder einen höheren Lebensstandard zu finanzieren? Oder einfach weil es möglich war, oder spannend?

Phu, warum hab ich das gemacht? Ich habe das nicht groß hinterfragt. Es ist einfach Geld übriggeblieben. Damals war klar, dass ich mir natürlich mal eine schöne Wohnung oder ein Haus leisten möchte und dadurch etwas suche, was Rendite bringt. Das war sicher die Motivation. Heute ist das anders – hab mittlerweile mein Haus mit Garten :) Und brauche auch sonst nichts Großartiges, somit muss ich nicht mehr auf Rendite schauen.
Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, ich habe auch damals schon einmal einen Ethikfonds bespart. Nachdem ich recherchiert und einen Makler gefunden hatte, habe ich dann kurzfristig beschlossen, doch nur die Hälfte des Geldes, das ich investieren wollte, in den Ethikfonds zu stecken. Die andere Hälfte landete in einem Fonds, der mir mehr Rendite bringen sollte. Und ich wurde auch da „bestraft“, weil der ethische Fonds letztlich besser performte.

 

Und hast du damals hinterfragt, woraus sich der ethische Fonds zusammensetzt?

Detailliert nicht, und ich kann mich auch nicht mehr erinnern. Ich habe diese Anteile alle nicht mehr. Es waren klassische Dinge wie keine Kinderarbeit, keine Waffen, keine Erdölindustrie ...

Ich möchte noch ein anderes Projekt ansprechen, über das ich auch mit Franz Galler [GfG-Mitarbeiter für Finanzierungen, Anm.] gesprochen habe: Die Finanzierung von Photovoltaik-Anlagen für entlegene kroatische Küstenlokale, die sonst mit Dieselgeneratoren betrieben werden. Im Moment macht uns Corona einen Strich durch die Rechnung, und diese Lokale haben jetzt andere Sorgen ... Aber ich wollte auch hier eigenes Geld reinstecken und mich engagieren, weil ich als Segler in der Adria viele Lokale in Buchten oder auf Inseln kennenlerne, bei denen dann – zu meinem Entsetzen – im Hintergrund ein Dieselgenerator läuft, der das Lokal versorgt, weil es eben nicht am öffentlichen Stromnetz hängt. Energy Contracting wäre da ein schönes Angebot an die Lokalbesitzer: Die Rückfinanzierung der PV-Anlagen ergibt sich aus dem eingesparten Diesel und den eingesparten Wartungskosten für den Dieselmotor (den sie als Notlösung behalten). Ich hatte das schon recht weit ausgeschnapst mit einem Lokalbesitzer in der Bucht von Medulin im Süden von Istrien. Und das Modell könnte man multiplizieren, es setzt aber natürlich auch gute Kontakte voraus, und dass man oft vor Ort ist. Selbst möchte ich ehrlich gesagt auch woanders segeln :) Und es wäre natürlich viel spannender und würde auch mehr Spaß machen, wenn eine größere Gemeinschaft mitmachen würde – ich denke, die Genossenschaft wäre prädestiniert, weil sie eine Menge Kontakte hat: Mitglieder vielleicht, die wiederum Kontakte nach Kroatien haben.

 

Ja, das kann sein – unseren Newsletter zum Beispiel abonnieren 15.000 Menschen. Bekommst du unsere Aktivitäten via Newsletter und social media mit?

Ja ich bekomme die Newsletter per E-Mail ... Aber ich muss gestehen, dass ich sie meistens nur überfliege. Bin aktuell sehr in Beschlag mit meinem anderen Projekt „Ingenieure ohne Grenzen“ – das ist recht zeitintensiv. Und ich bin froh, wenn ich nicht noch mehr Zeit vor dem Computer verbringen muss. Ich geh einfach davon aus, dass das passt, was ihr macht, und fertig!

 

Danke – ja, ich behaupte, das passt :)

Schön :)
Da ist noch eine Sache, bei der ich überlege, eine Verbindung zu euch herzustellen. Wir haben bei unseren Ingenieuren ohne Grenzen eigentlich das Prinzip, dass alles über Spenden eingeworben wird. Ich versuche immer wieder die Idee einzubringen, auch über Kredit oder Mikrokredit zu finanzieren. Bei einem schönen Projekt in Ecuador beispielsweise, wo Lastenfahrräder mit Solarpanelen obenauf elektrifiziert werden – einerseits als Sonnenschutz und andererseits zur Energiegewinnung. Das wäre ein typisches Projekt mit einem guten Konzept. Ich finde in solchen Fällen sollte man versuchen, auch vernünftig Geschäfte miteinander zu machen. Bisher hat sich das noch nicht ergeben – wir sind denke ich gedanklich noch zu sehr darauf fokussiert, dass man eben fremdfinanziert, fremdschenkt, alles über Spenden. Ich werde sehen, wie sich das noch entwickelt bei meinen „Ingenieuren“ ...

Wir organisieren auch gerade die Ausbildung von Flüchtlingen und Asylwerbern im Bereich Solartechnologie. Wenn sie in ihre Länder zurückgehen müssen, können sie wenigstens was Gutes mitnehmen. Eventuell können sie sich in ihren Heimatländern über einen Mikrokredit etwas aufbauen. Ob das so aufgeht, wie wir uns das vorstellen, steht auf einem anderen Blatt, da gibt’s sicher noch viele Schwierigkeiten. Ich glaube, man muss auch die Mentalität und Situation der Menschen, die da zu uns kommen, berücksichtigen – die sehen dieses Angebot vielleicht ganz anders. Aber es wäre aus meiner Sicht schön, wenns so funktionieren würde. Es wird sicher noch dauern, bis man da Bilanz ziehen kann. Und bis man sagt, da ist jetzt jemand Tüchtiger, und man kann mit einer Finanzierung unterstützen, weil vor Ort eine Solarfirma aufgebaut wird ... Momentan ein Traum!

 

Bitte fleißig weiterträumen :)

Findest du die Idee des energy-contracting mit Lokalbetreiber*innen an der kroatischen Küste interessant oder hast sogar entsprechende Verbindungen? Schreib uns an info@gemeinwohl.coop! Vielleicht landet die Idee ja tatsächlich auf www.gemeinwohlprojekte.at