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Geld gemeinsam gestalten – mit Dominik Berger

Portrait Dominik Berger
Donnerstag, 9. Juni 2022

Geld gemeinsam gestalten – mit Dominik Berger

Dominik Berger ist seit 2016 Mitglied der Genossenschaft für Gemeinwohl. Ursprünglich Techniker, beschäftigt er sich heute intensiv mit der Entscheidungsmethode „Systemisches Konsensieren“. Geld ist für ihn gewissermaßen ebenfalls ein Entscheidungsmittel: „Wenn im Supermarkt ein südafrikanischer Apfel um 1 Euro angeboten wird und ein steirischer Bio-Apfel um 2 Euro, dann tendieren viele zum Kauf des 1-Euro-Apfels, was aus verschiedensten Gründen nicht sinnvoll ist.“ Was es aus seiner Sicht für gute Entscheidungen wirklich braucht und welche Rolle Zwiebelschalen dabei spielen, hat er im Gespräch mit Anna Erber erzählt.

 

Lieber Dominik, was bedeutet Geld für dich?

 

Dazu habe ich eine differenziertere Haltung, seit ich die Geldarbeit (nach Peter Koenig, Anm.) gemacht habe. Heute ist Geld für mich in gewisser Weise Handlungsspielraum. Genug zum Leben zu haben, bedeutet Freiheit.

 

Ich könnte auch sagen: Geld ist noch nicht ausgeglichene Leistung, die aber schon erbracht wurde. Das wäre für mich eine passende Definition – die aber im Grunde auch nur ein Konstrukt ist, denn das Universum gleicht ja immer aus ... Aber diese philosphische Ebene können wir für jetzt lassen :)

 

Das Geldsystem halte ich für sehr relevant in dem Sinn, dass es das Verhalten von Menschen steuert. Auch der Wachstumsdrang und -zwang, den die Wirtschaft heute erlebt, fußt darin, wie wir das Geldsystem konstruiert haben – ohne als Menschheit diesen Prozess der Konstruktion reflektiert oder bewusst gesagt zu haben: So halten wir es für sinnvoll.

 

Was bedeutet Gemeinwohl für dich?

 

Auf einen Nenner gebracht: Wenn man gemeinschaftlich dafür sorgt, dass es allen gut geht. Natürlich muss es auch dem Individuum gutgehen, aber ich meine: Wenn es kein schädliches Verhalten an den Tag legt, das die Allgemeinheit ausbaden muss. Aus dem Hawaiianischen heraus (mit dem ich mich mehr beschäftigt habe): Ein Hauch von Ohana – das bedeutet Familie, Sippe, und lässt sich in seiner tieferen Bedeutung zusammenfassen mit „There’s nobody left behind“. Es geht darum, dass alles miteinander verbunden ist.

 

Auf die ökologische Thematik bezogen brauchen wir ein Wirtschaften, bei dem es allen Stakeholdern und eben auch der Natur gut geht. Man müsste im Grunde nur die SDG (Sustainable Development Goals) konsequent verfolgen. Bis auf das eine, dem ich kritisch gegenüberstehe, „nachhaltiges Wachstum“. Ob es das gibt? Ich glaube, dass wir viele der anderen Ziele nur erreichen, wenn die Wirtschaft schrumpft. Das Wachstumsparadigma ist aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. Wir sollten uns überlegen, wie wir Gesellschaften bauen, in denen es Menschen auch dann gut geht, wenn weniger verkonsumiert wird, wenn Produkte länger leben – weil so auch gesellschaftlicher Mehrwert und Verteilung geschaffen werden.

 

Dürfen wir noch mehr über dich erfahren, und was dich aktuell beschäftigt?

 

In meiner beruflichen Laufbahn habe ich zuerst im Rahmen eines Start-Ups die berührungslosen Chipkarten „pioniert“ – NXP und Infineon sind heute Weltmarktführer mit dieser Technologie. Damals habe ich das alles nicht näher hinterfragt. Später bin ich weg von der Technik und mehr zu dem Thema gekommen, wie Technik Soziales unterstützen kann.

 

Es gefällt mir vielfältig zu sein, und weil ich das Hawaiianische erwähnt habe – ich habe hier auch Ausbildungen in Richtung Körperarbeit etc. gemacht, wo es letztlich darum geht, was macht das Menschsein wirklich aus? Wenn Menschen in einen Kampf-, Flucht- oder Einfriermodus geraten, funktioniert das Soziale nicht. Aus meiner Sicht brauchen wir Strukturen und Rahmenbedingungen, die Menschen weniger leicht in diese Selbstabgrenzungs- und Verteidigungshaltung geraten lassen. Geld kann dazu ein hilfreiches Werkzeug sein, das uns unterstützt – oder es ist kontraproduktiv.

 

Vor etwa 10 Jahren bin ich auf Systemisches Konsensieren gestoßen und war sofort Fan davon. Seither widme ich viel Zeit der Weiterentwicklung und Verbreitung der Methodik. Konsens heißt wörtlich „mit Sinn“. Dinge „mit Sinn“ entstehen, wenn ich mit mir selbst verbunden, wenn ich mir meiner Sinne gewahr bin und so auch mit anderen verbunden sein kann. Systemisch Konsensieren ist also in ein Menschen- und Weltbild eingebettet, das man wohl nur haben kann, wenn man diese tiefe Verbundenheit in sich selbst einmal erlebt hat. Auf diesem Weg gibt es (das sage ich aus eigener Erfahrung) oft viele „Zwiebelschalen“ aufzulösen, was schmerzlich und schwierig sein kann – Stichwort Kindheits- und Beziehungstraumata, die viele von uns mit sich schleppen ohne es zu realisieren. Dabei wäre es nicht notwendig, dass wir uns davon dominieren lassen!

 

Gibt es sonst noch etwas, das dich zum Thema Geld & Gemeinwohl bewegt?

 

Es gibt diesen Satz: Wer das Geld hat, sagt an, entscheidet. Der schon verstorbene GfK-Trainer*) Klaus Karstädt meinte, Macht ist eine Strategie von Menschen, die nicht erlebt haben, dass ihre Bedürfnisse gewahrt werden. Und wenn man sagt, Geld ist auch ein Machtelement, dann kann man folgern: Menschen, die zwanghaft Machtpositionen anstreben, ohne mit dem Geld, über das sie verfügen, nicht nur sich selbst sondern auch anderen zu dienen – die haben noch nie erlebt, wie es ist, wenn die eigenen Bedürfnisse wirklich erfüllt sind. Diese Perspektive birgt viel Potenzial!

 

Und dann finde ich noch zwei Dinge spannend:
Einerseits gibt es heutzutage Wohnprojekte, die es schaffen, Geld und Entscheidungsmacht zu entkoppeln. Die Bewohner entscheiden unabhängig von den Geldkreisläufen, die daneben stattfinden. Es ist erstaunlich, was in einem solchen Augenhöhe-Setting entsteht.

 

Und zweitens eine Idee, nämlich verschiedene Geldsystemiken in einer Art Kongress zu durchleuchten in ihren Wirkungsweisen, Vorteilen, Nachteilen, Finanzierungsmöglichkeiten ... Also z.B. das System, so wie wir es jetzt haben, dann ein Gradido-, dann ein Vollgeld-System – da gibt es schon viel. Wie würden diese Systeme gemessen an ein paar Kriterien abschneiden, wenn man sie breiter leben würde? Was würde mit der Natur passieren, was mit den Menschen (so ganz genau ist das wahrscheinlich nicht zu eruieren, aber trotzdem ...)? Unterm Strich: Ginge es uns als Menschheit dann besser oder schlechter? An sich haben wir mit den heutigen Technologien alle Freiheiten. Und generell alle Möglichkeiten, ein gutes Leben für alle zu gestalten!

 

Oft hört man, „das funktioniert ja nicht, weil das kann man nicht finanzieren!“ Dann schaue ich mir unsere GELAWI **) an, weil so ein Modell dürfte normalerweise auch nicht funktionieren. Aber dann fangen die Leute freiwillig an zu jäten, Lager zu schlichten usw., und dann geht etwas, was absolut sinnvoll ist, wo super Lebensmittel entstehen – weil Menschen sagen, uns ist das jetzt wichtig, wir machen das jetzt.

 

Danke!

 

 

*) GfK: Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg
**) Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft, siehe auch >> Blogbeitrag Ackerschön

 

Übrigens: Dominik ist Teil eines Teams, das das online-Entscheidungstool acceptify entwickelt hat. Damit können schnelle und tragfähige Entscheidungen für eine Vielzahl von Menschen durchgeführt werden. Es gibt dazu immer wieder Workshops bei unserer Akademie für Gemeinwohl!