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Geld gemeinsam gestalten – mit Bernd Pfleger

Portrait Bernd Pfleger
Samstag, 27. November 2021

Geld gemeinsam gestalten – mit Bernd Pfleger

Bernd Pfleger veranstaltet, organisiert und leitet Wildnistouren und Naturreisen mit Schwerpunkt in Mittel- und Osteuropa, aber auch im südlichen Afrika und im Oman. Er ist seit 2016 Mitglied in der Genossenschaft für Gemeinwohl. Anna Erber hat ihn telefonisch zum Thema Geld und Gemeinwohl befragt.

 

Lieber Bernd, was bedeutet Geld für dich?

 

Geld ist für mich ein hervorragendes Tauschmittel. Und ich bin froh, wenn ich genug davon habe, weil ich mich dadurch sicherer fühle. Aber ich überlege schon auch immer wieder: Was ist genug für mich? Wie viel Geld ist ausreichend für ein glückliches Leben?

 

Ich hab das für mich so gelöst: Sobald ich mehr verdiene als den Durchschnittsverdienst der Österreicher*innen in Vollzeit, dann spende ich an Wildnisschutzprojekte. In unserem verrückten Wirtschaftssystem werden ja durch die Werbung – die hochprofessionell aufs Unterbewusstsein abzielt – schon lange nur mehr künstlich Bedürfnisse nach Dingen geweckt, die wir eigentlich nicht brauchen. Ein großes Auto, Smartphone, Fernseher, zweiter Fernseher, dritter Fernseher ... Deshalb brauchen wir so viel Geld.

 

Ich hab mal versucht, ein Monat in der Wildnis zu leben, nur mit einem Messer, also ohne Schlafsack, Feuerzeug etc. War eine harte und verrückte Geschichte ... Mir ist es bei der Aktion – über die ich jetzt Vorträge mache – darum gegangen, Aufmerksamkeit zu schaffen für das Abholzen der letzten wilden Wälder Europas. Die sind vielfach in Osteuropa und werden jetzt gerade zerstört, wegen der hohen Nachfrage nach Billighackschnitzel und -pellets, bei uns! Das weiß aber kaum jemand. Nebenbei bin ich in diesem Monat wieder draufgekommen: Ja, man braucht ausreichend zu essen, ein warmes Dach über den Kopf – also einen gewissen materiellen Grundstock –, dann Sozialkontakte, Familie .... Aber sicher kein Auto, Fernseher und so Geschichten.

 

Hast du ein Bild davon, was Gemeinwohl ist?

 

Für mich ist das im Wesentlichen, dass man schaut, dass es allen gut geht. Auch den Tieren und den Pflanzen. Den Menschen auf der ganzen Welt. Wir müssen und sollen nicht alle gleich sein, aber man muss versuchen, dass es allen gut geht.

 

Wow, sehr schön zusammengefasst ... Magst du noch über dich und dein schönes Projekt bzw. Unternehmen erzählen?

 

Ich mache mit meiner Experience Wilderness GmbH Wildnistouren, in deren Rahmen wir mehrere Tage abseits der Zivilisation leben – mit Spurenlesen, Tiere beobachten, sich anschleichen, Dämmerungs- und Nachtwanderungen. Uhr und Handy lassen wir weitgehend weg, damit man wieder in einen natürlichen Lebensrhythmus eintauchen kann. Weiters bieten wir komfortablere Naturreisen an, wo wir nicht zelten, sondern in kleinen Privatpensionen übernachten, mit Dusche und einem guten Bett und Essengehen – und uns dann von da aus die bekannten und auch unbekannteren Naturhighlights der Gegend ansehen. Im Westen und Osten Österreichs, Slowakei, Italien, Kroatien ...

 

Zwei Ideen stehen dahinter: Die Leute sollen eine coole Zeit in der Natur und Wildnis haben und die Reisen genießen – und gleichzeitig intensive, positive und emotionale Naturerlebnisse haben. Ich denke, nur durch solche Erlebnisse ändert man sein Verhalten. Wir wissen alle, wie wir uns klimaneutral zu verhalten hätten, aber wer macht es schon ... Gerade jetzt passiert aber ein Umdenken, weil es wirklich heiß ist und wir eine Katastrophe haben – und weil wir das selbst emotional spüren. Dasselbe Prinzip will ich bei meinen Touren auch anwenden. Die Leute setzen sich danach mehr für die Wildnis und die Natur ein, die sie erlebt haben, weil man die Verbindung direkter spürt, wenn man vor Ort ist. „Nur wer sich der Wildnis aussetzt, spürt das Leben“, sage ich immer.

 

Wir versuchen generell unsere Reisen so umwelt- und sozialverträglich wie möglich zu machen, haben jetzt auch begonnen unsere Reisen mit dem österreichischen Umweltzeichen zu zertifizieren. Wir reisen z.B. mit dem vollbesetzten Minibus herum, wodurch die ökologischen Auswirkungen sehr gering sind, wir versuchen bewusst auch Orte aufzusuchen, die naturschutzfachlich wertvoll sind, damit die Leute sehen, auch das hat seinen Wert – nicht nur wenn ich es abholze oder intensiv bewirtschafte. Es kommen Leute von weit her und sehen sich das an. Gleichzeitig meiden wir natürlich sensible Orte und Zeiten. Also wenn zum Beispiel eine seltene Vogelart gerade Brutzeit hat, gehen wir natürlich nicht hin.

 

Wie passt da für dich die Genossenschaft für Gemeinwohl dazu, warum bist du Mitglied geworden?

 

Ich bin in der Zwischenzeit überzeugt, dass das, was ich seit meiner Kindheit für den Umweltschutz und auch im sozialen Bereich mache, nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, solange das kapitalistische Wirtschaftssystem weiter existiert.

 

So gute Dinge wie zum Beispiel Fairtrade werden laufend konterkariert – die Konzerne sehen, damit kann ich Geld machen, und steigen ein. Deren Ziel ist aber weniger der faire Handel, sondern sie verwässern die Richtlinien und machen nur das Notwendigste, damit für sie möglichst viel Geld übrigbleibt. Und das passiert überall! Es gibt massenhaft Leute mit guten Ideen, aber es wird so vieles durch die Idee der Gewinnmaximierung unterlaufen. Also müssen wir das System ändern, auf ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaften. Dann würden viele Probleme, die wir haben, sich mehr oder weniger von selbst lösen, davon bin ich überzeugt. Und deshalb engagiere ich mich in der Genossenschaft für Gemeinwohl – das was sie macht, ist das wichtigste! Und gleichzeitig müssen wir schauen, dass in der Zwischenzeit die Natur nicht zugrunde geht.

 

Und da will ich noch eine Beobachtung anbringen: Solange es uns noch so gut geht wie jetzt – und im Endeffekt geht es uns in Österreich noch supergut – haben die Leute keinen Ansporn, wirklich was zu ändern. Erst wenn es uns schlechter geht, wie es zum Beispiel nach der Wirtschaftskrise in Südeuropa war, suchen die Leute nach Alternativen. Also wenn wir wirklich den Hintern bewegen müssen. Und wenn der Normalverbraucher nach Alternativen sucht – die in der Zwischenzeit aufgebaut worden sind – dann kann es glaube ich schnell gehen mit dem Wandel. Das ist meine Hoffnung! Jetzt müssen wir den Boden aufbereiten, und wenn das System dann kocht (kocht eh schon, wie man überall sieht), dann sind Alternativen da, die erprobt sind.

 

Vielen Dank!