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Geld gemeinsam gestalten – mit Astrid Luger

Portrait Astrid Luger
Dienstag, 31. August 2021

Geld gemeinsam gestalten – mit Astrid Luger

Astrid und Willi Luger sind im deutschsprachigen Raum Pioniere der Naturkosmetik und ihrer professionellen Anwendung in Friseursalons. Den Umgang mit ihren selbstentwickelten biozertifizierten Produkten der Marke CULUMNATURA geben sie in Modulen und Seminaren in der eigenen Akademie für NATURfriseur*innen weiter. Mittlerweile entstand auch ein Ökologisches Gästehaus am Firmenstandort in Ernstbrunn in Niederösterreich. Die Gemeinwohl-Ökonomie spielt für den gesamten Betrieb seit jeher eine wichtige Rolle (nicht erst, seit es die gleichnamige Bewegung gibt), und wir freuen uns, Astrid für ein Interview erreicht zu haben.

 

Liebe Astrid, du bist kürzlich mit CULUMNATURA Mitglied bei der Genossenschaft für Gemeinwohl geworden. Was bedeutet Geld für dich?

Eine interessante Frage – gerade gestern habe ich mich bei einem ausgedehnten Waldspaziergang mit diesem Thema beschäftigt. In meiner Kindheit hatten wir nicht viel Geld. Da habe ich gelernt mit wenig auszukommen. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Sparsamkeit war ihnen wichtig, jedoch mussten die Dinge eine sehr gute Qualität haben. So habe ich es auch bei meinen drei Kindern gehandhabt. Es gab auch nur einen Hauptverdiener, da ich mich bewusst entschieden habe, eine Zeitlang bei den Kindern zu Hause zu bleiben. Wir konnten zum Beispiel nicht jedes Jahr in Urlaub fahren. Das Bedeutsame an Geld ist für mich schon immer, dass es ein wunderbares Tauschmittel und eine geniale Idee der Menschen ist. Ja, ich bin positiv zum Geld eingestellt – nur nicht zu allem, was die Menschen damit machen. Es gibt Missbrauch von Geld, wie auch den Missbrauch von Macht auf politischer Ebene in vielen Ländern.

 

Heute habe ich mehr Geld zur Verfügung und achte genau, wie ich es ausgebe: Was mache ich damit? Wen kann ich damit unterstützen oder etwas spenden? Welche NGOs und Initiativen, welche Gemeinschaften kann ich fördern?

 

Bestimmt spielt es für dich auch eine Rolle, wo du einkaufst?

Ja, selbstverständlich! Ich kaufe zum Beispiel gerne bei Grüne Erde, Sonnentor und viel in den Weltläden – all die nachhaltigen Firmen, die du ja auch kennst. Wichtig ist mir bei Obst und Gemüse auch die Regionalität. Hier liebe ich es auf Biohöfen einzukaufen. Das Geld soll im Fluss bleiben! Zu wissen, dass mir in Peru jemand unter fairen Bedingungen einen Rock genäht hat, macht mich glücklich! Wenn ich Geld zur Verfügung habe, sehe ich zu, dass ich es gezielt ausgebe, sodass es in Bewegung bleibt.

 

Seit meinem 25. Lebensjahr bin ich bereits auf diesem Weg und zu bestimmten Themen immer schon aufgestanden. So habe ich damals gegen Atomkraft demonstriert, bin in Bioläden gegangen. Anfangs habe ich mich fast nicht getraut, weil es hieß „die kiffen dort usw.“ :-). Es hat alles noch „gesund“ geschmeckt, die Breie, das Getreide. Wir haben jedoch Ausdauer bewiesen und heute ist ja alles super lecker. Was ich damit sagen will: Ich bin aufgewachsen, aufzustehen und auf Augenhöhe mit anderen zu leben – gemeinwohlorientiert eben. Das gebe ich auch unserem Team weiter.

 

Geld empfinde ich auch als Energie, um Gutes damit zu tun. Ich habe privat seit kurzem Zeit ein Gemeinwohlkonto. Demnächst auch CULUMNATURA. Das bewegt etwas im Umfeld, im „morphogenetischen Feld“. Ich finde zudem nicht, dass Geld arbeiten kann. Meiner Meinung nach geht das nicht. Arbeiten tue ich. Wenn Menschen fürs Horten belohnt werden und mit Nichtstun Geld verdienen, dann landen wir da, wo wir jetzt sind: In einem desolaten Wirtschaftssystem. Das macht meinen Mann und mich zum Teil wütend.

 

Auf einer anderen Ebene finde ich, dass Geld einen viel zu hohen Stellenwert in der Gesellschaft hat. An dieser Stelle möchte ich das Buch von Vivian Dittmar „Echter Wohlstand“ empfehlen. Dieses Buch lese ich gerade und hat mich anregt genauer hinzuschauen: Wo stehe ich bei verschiedenen Dimensionen von Wohlstand? Zeitwohlstand? Beziehungswohlstand? (Vivian Dittmar erwähnt 5 Arten von Wohlstand, Anm.) Geld – das wird auch in dem Buch erwähnt – ist schon cool, jedoch nicht so wichtig wie wir denken. Es kann gierig machen, wie wir es weltweit erleben. Da dürfen wir Menschen umdenken!

 

Ja, da muss kollektiv wohl noch eine Menge passieren! Mit eurem Betrieb lebt ihr „Gemeinwohl“ von Beginn an. Abgesehen von eurem Kerngeschäft, der Naturkosmetik, auf die wir später noch zu sprechen kommen – kannst du Beispiele nennen, was damit gemeint ist?

Ich bin Gesundheitsberaterin und setze mich mit Kolleg*innen gerne zusammen, um darüber zu sprechen, was sie tun könnten, wenn schwierige Themen aufkommen. Letztens waren es wieder einige Gespräche. Rundherum herrscht derzeit – ja nennen wir es Chaos. In den Nachrichten hören wir, „alles wird immer enger“. Zum Ausgleich bieten wir im Unternehmen Meditationen und Massagen für alle Kolleg*innen an. Wir investieren gerne in Gesundheitsthemen und Entspannung. Zum Beispiel genießen alle Kolleg*innen eine halbe Stunde bezahlte Frühstückspause als Geschenk, damit wir Gemeinschaft leben können. Zudem haben wir mit der Soziokratie als Organisationsmodell ein wunderbares Instrument zur Selbstorganisation und Mitbestimmung der Teams. Zu Recht können wir behaupten, wir haben hier eine Art Blase aufgebaut. Oft kommen Seminarteilnehmende und sagen: „Bei euch ist das Pippi Langstrumpf-Land. Ihr macht die Welt, wie sie euch gefällt“. Ja, soweit es möglich ist, machen wir das!

 

Magst du noch über euren Weg mit CULUMNATURA erzählen?

Willi war vor über 25 Jahren auf der Suche nach Naturprodukten nach seinen Vorstellungen. Doch hat er keinen geeigneten Lieferanten gefunden. So hat er angefangen, sich mit der Thematik eingehend zu befassen und schließlich selber Naturprodukte für den Fachbereich Friseure zu entwickeln und zu vertreiben. Mittlerweile bilden wir Naturfriseur*innen in ca. 60 Modulen und Seminare pro Jahr in unserer Akademie aus. Sie haben die Möglichkeit sich als „CULUMNATURA Haut- und Haarpraktiker*in“ zertifizierten zu lassen.

 

Da geht es um die Gesundheit der Friseurinnen und Friseure?

Ja, jedoch auch um deine Gesundheit als Kund*in. Die Naturfriseur*innen erhalten bei uns unter anderem viel Wissen zu den Themen Haut, Haar, Ernährung und zum bewussten Umgang mit sich selber. Insgesamt bieten wir 11 ganzheitliche Module an. Bevor sie allerdings unser Sortiment beziehen können, müssen sie die Produktmodule besuchen. Nur so lernen sie den richtigen Umgang mit den Haut- und Haarpflegeprodukten und Pflanzenhaarfarben. Und wir garantieren, dass CULUMNATURA Produkte nur über ausgebildete Naturfriseur*innen zu kaufen sind. Das heißt, wir vertreiben nicht online, über keine Drogerieketten und auch nicht ab Werk. Das ist unseres Wissens nach einzigartig in der Branche, zeichnet uns aus und garantierte den Erfolg seit vielen Jahren.

 

Vertreten sind wir im deutschsprachigen Raum und dort, wo die Menschen deutsch sprechen, wie in Norditalien, an der französischen Grenze, Benelux-Länder. In Polen kooperieren wir sehr intensiv mit einer Berufsschule und der Markt baut sich langsam auf. Englischsprachiger Bedarf wäre mittlerweile auch da, mal sehen! Weiters führen wir ein ökologisches Gästehaus hier in Ernstbrunn mit 10 individuellen Themenzimmern. Alle Zimmer sind zum Beispiel mit Flachs gedämmt und mit Lehm verputzt. Geschlafen wird in einer am Ort genähten Leinenbettwäsche.

 

Für das Gemeinwohl haben wir uns schon eingesetzt, da gab es die „Gemeinwohl-Ökonomie“ als Bewegung noch gar nicht. CULUMNATURA gibt es jetzt 25 Jahre. Vor ca. 10 Jahren besuchten wir einen Vortrag von Christian Felber in Wien zum Thema Gemeinwohl. Ich hatte vorher sein Buch gelesen und habe Willi überzeugt, zum Vortrag mitzukommen. Nach dem Vortrag sprachen wir mit Christian: „Christian, das war so genial – wir leben das schon!“. Er war begeistert und meinte darauf: „Dann könnt ihr auch eine GWÖ-Bilanz erstellen und zertifizieren“. Wir gehörten kurz nach Sonnentor zu den ersten. Das war zwar ein mühsamer Prozess, allerdings für uns auch sehr spannend. Du gehst nochmals durch alle Themen eines Unternehmens, durch alle Schichten in der Matrix: Lieferketten, wie gehe ich mit den Lieferant*innen um, wie mit den Kund*innen und Mitarbeitenden – und wir können bei jeder Zertifizierung dazu lernen und verfeinern. Was wir mittlerweile auch gelernt haben: Tue Gutes und sprich darüber! Dadurch werden wir auch ein Vorbild für andere, die sich auf den Weg machen.

 

Es geht darum: Dass wir uns immer für die Freiheit und für das Gemeinwohl einsetzen. Wir können gar nicht anders, das ist einfach unsere Natur. Deshalb haben wir uns auch für das Gemeinwohlkonto entschieden.

 

Das freut mich, danke für das Gespräch!