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Demokratisches Geld

Christian Felber bei seinem spannenden Akademie-Vortrag im Projektbüro.
Mittwoch, 1. Juli 2015 – von

Demokratisches Geld

Ein Bericht vom Vortrag von Christian Felber an der Akademie des Projekts Bank für Gemeinwohl vor fast 70 Besucher/-innen.

In seinem Vortrag vom 2. Juni 2015 plädierte Christian Felber für ein demokratisches Finanzsystem. Es gebe viele mehrheitsfähige Alternativen zur bestehenden Geld- und Wirtschaftsordnung. Diese haben derzeit allerdings keine Chance auf Durchsetzung, denn es fehle an direkter Demokratie.

Die Vertretungen der Bevölkerungen, sowohl auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene, entscheiden über den Willen der Souveräne hinweg und achten unsere demokratischen Grundrechte nicht – auch Gruppen wie die Volksinitiative in Österreich oder die European Citizen Initiative auf EU-Ebene werden übergangen. Was bleibe, ist ein Bettelrecht, so Felber: „Wir müssen über Alternativen innerhalb des demokratischen Systems nachdenken.“

Mehr direkte Demokratie

Das Souveränitätsprinzip ist das zentrale Demokratieprinzip. Der Souverän in einer Demokratie ist laut Verfassung das Volk. Heute leben wir jedoch in einer fast ausschließlich indirekten Demokratie. Grundlegende souveräne Grundrechte wären, dass das Volk die Verfassung gestaltet und darin Vertretungen festgelegt. Beispielsweise soll die Bevölkerung ermächtigt werden, über Grundversorgungsbereiche (Wasser, Energie, Geld) mitzuentscheiden. Dort, wo Menschen von Entscheidungen betroffen sind, sollen sie sich einbringen können: Vom Bildungssystem Betroffene könnten so die Spielregeln für Bildungseinrichtungen mitentwerfen. Das Parlament und die Regierung übernehmen weiterhin die wichtige Aufgabe, diese Verfassungsgrundlage und die alltägliche gesetzgeberische Arbeit auszuführen. Gesetze sollten jedoch vom Volk direkter korrigiert werden können, wenn sie sich vom Willen des Souveräns entfernen.

Themenkonvente der direkten Demokratie:

Ziel ist es, dass in der Verfassung inhaltliche Richtlinien für alle Politikfelder durch den Souverän festgelegt werden. Erarbeiten könnten diese dezentrale Konvente, etwa für Wirtschafts-, Geld-, Bildungs- und Umweltfragen. Die Gemeinwohlökonomie hat einen 20-seitigen Leitfaden (https://www.ecogood.org/services/downloads) für den kommunalen Wirtschaftskonvent ausgearbeitet.

Die Vorgehensweise könnte folgendermaßen aussehen:

Eine Gemeinde bildet ein Organisationskomitee, das möglichst alle relevanten Gruppierungen repräsentiert. Dann werden in Arbeitsgruppen Recherchen zu den Fundamentalfragen durchgeführt und unterschiedliche Standpunkte ausfindig gemacht. Die finalen Alternativen kommen schließlich zur Wahl. Es gewinnt diejenige Alternative, die den geringsten Widerstand auslöst. Eine delegierte Person gibt die Entscheidung an den Bundeskonvent weiter. Dort werden die Varianten der Gemeinden verdichtet, final sortiert und dem Souverän als Entscheidungsgrundlage zur Wahl vorgelegt. Das Ergebnis geht in die Verfassung ein, z. B. für den Bereich Wirtschafts- oder Geldpolitik.

Ein gezähmtes Geldsystem

Die Ineffizienz der indirekten Demokratie spiegelt sich in den zahlreichen, demokratisch nicht legitimierten Auswüchsen des Geldsystems wider. Derzeit gilt die neoliberale Lehre mit ihren sogenannte „freien Finanzmärkten“, die im Glauben an die Selbstregulierung ohne Finanzmarktaufsicht, ohne Größengrenzen für Banken, ohne Prüfung neuer gefährlicher Finanzprodukte und ohne Beschränkung des Kapitalverkehrs besteht. Statt dessen schlägt Felber „Geld als öffentliches Gut“ vor.

Regeln für das Geldsystem werden so demokratisch wie möglich gebildet:  

  • Die Zentralbank gibt sowohl das Bargeld als auch das elektronische Geld aus. (Heute gibt sie bloß das Bargeld sowie einen kleinen Teil des elektronischen Geldes aus.)
  • Unabhängig von Größe und Eigentumsstruktur sind alle Banken per Gesetz der Gemeinwohlorientierung verpflichtet.
  • Kredite dürfen nur für real- und nicht für finanzwirtschaftliche Investitionen gewährt werden. Investitionen dürfen das Gemeinwohl nicht mindern. Hierfür muss neben einer finanziellen Evaluierung eine Gemeinwohl-Evaluierung stattfinden. (https://www.ecogood.org/sites/default/files/content/matrix41.png)
  • Ungleichheit wird nicht per se abgelehnt, jedoch begrenzt.
  • Spielen und Spekulation darf stattfinden, allerdings in gekennzeichneten „Casinos“, die in keiner Verbindung mit der Realwirtschaft stehen.
  • Gefordert wird ein kooperatives internationales Währungs- und Handelssystem.

Vollbeschäftigung und Preisstabilität als wichtigste Ziele

In einer souveränen Demokratie werden auch die Zuständigkeit und die Ziele der Zentralbank von der Bevölkerung gesteuert. Die Zentralbank ist wohl die wichtigste Institution der Geldpolitik. Bisher wurde sie über den Kopf des Souveräns hinweg durch den Lissabonvertrag geregelt. Stattdessen soll in Zukunft ein Bundesgeldkonvent, ausgehend von den Vorschlägen kommunaler Geldkonvente, die Ziele der Zentralbank definieren.

Zur Wahl könnten folgende Modelle stehen:

a) Im Modell der europäischen Zentralbank ist oberstes Ziel Preisstabilität. Die Finanzierung von Staatsschulden ist verboten.

b) Im Modell der Federal Reserve in den USA sind zwei Ziele gleichrangig: die Preisstabilität und die Vollbeschäftigung.

c) Felber schlägt folgende gleichrangige Ziele vor: Vollbeschäftigung, Preisstabilität sowie die Vergabe zinsfreier Kredite an den Staatshaushalt in einer maximalen Höhe von 50% der Wirtschaftsleistung.

Die derzeitige Staatverschuldung beträgt in der Eurozone beinahe 100% der Wirtschaftsleistung. Das liegt einerseits über dem erlaubten Maximum von 60% („Maastricht-Kriterium“). Andererseits ist nach manchen Studien ab 90% die Gefahr der Staatsinsolvenz erhöht gegeben. Um Risiken und Schulden zu mindern, schlägt Felber vor, die Staatsschulden in Relation zum privaten Vermögen, das 500% der Wirtschaftsleistung ausmacht, zu setzen.

Ein Video zum gesamten Vortrag von Christian Felber finden Sie auf:

https://www.youtube.com/watch?v=3bi8kO4CxjM