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Dem Kapitalmarkt die Moral zurückgeben

Freitag, 27. Mai 2016 – von

Dem Kapitalmarkt die Moral zurückgeben

Warum Wirtschaftsunis und Fondsmanager wenig von Nachhaltigkeit verstehen und auch soziale Unternehmen eine Chance auf faire Finanzierung erhalten sollen. Ein Kamingespräch mit Herbert Ritsch, Nachhaltigkeitsexperte bei Schelhammer& Schattera sowie Peter Zimmerl, Vorstand der Bank für Gemeinwohl Genossenschaft, moderiert von Melanie Klug, oikos vienna.

Schelhammer& Schattera wurde 1832 gegründet und ist Wiens älteste Privatbank. Die Bank war in hundertprozentigem Kirchenbesitz und wurde 2015 an die Grazer Wechselseitige Versicherung verkauft, die damit ihr Nachhaltigkeits-Portfolio erweitert. „Die Herausforderung für uns liegt nun darin, weiterhin authentisch ethische Werte zu vertreten und kirchennahe Kunden anzusprechen“, sagt Herbert Ritsch, stellvertretender Leiter der neu gegründeten Abteilung für Nachhaltigkeit. Schelhammer& Schattera hat derzeit ausschließlich Ethikfonds im Portfolio. Wurden anfangs 20 bis 30 Fonds ausgezeichnet, so sind es jetzt über 100. Die immer zahlreicheren Finanzprodukte werden u.a. vom österreichischen Umweltzeichen bewertet. Es sind Fonds, die Werte wie Ökologie, Nachhaltigkeit sowie Menschenrechte vertreten.

Herbert Ritsch, Nachhaltigkeitsexperte bei Schelhammer&Schattera

Kein Greenwashing

Der institutionelle Kunde blickt bei Ethikfonds nicht bloß auf die Rendite, sondern auf die Authentizität, so Ritschs Erfahrung: „Wichtig ist, welche Unternehmen im Fonds vertreten sind. Diese Frage unterstreicht die Glaubwürdigkeit.“ Die Gefahr von Greenwashing mittels Umweltsiegel sieht Ritsch nicht, denn die Standards wurden sogar erhöht, auch der Verein für Konsumentenschutz stehe dahinter. Die Infos kommen von Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Ein Problem liegt im geringen Emissionsvolumen von Ethikfonds, das meist bei 30 bis 40 Millionen Euro liegt. Denn die finanzkräftigen Player am österreichischen Markt – die Vorsorgekassen und Versicherungen – kaufen erst ab Volumina von 300 Millionen Euro.

Rendite und Nachhaltigkeit passen zusammen

Das Thema Nachhaltigkeit etabliert sich langsam in der Veranlagungslandschaft, so Ritsch. Bis 2008 war es gar kein Thema. Bis heute meinen institutionelle Anleger, dass Rendite und Nachhaltigkeit einander ausschließen – und ebenso die Fondsmanager: „Heutige Fondsmanager verfügen weder über das erforderliche Wissen noch über die Aufgeschlossenheit für solche Themen“, bedauert Ritsch. Sie seien auf hard facts getrimmt, weiche Daten wie Nachhaltigkeit, Ethik usw. werden nicht berücksichtigt. „Es ist zu hoffen, dass nun eine neue Generation ans Ruder kommt, die diese rigiden Standpunkte aufbricht.“ Diese Rigidität spiegelt sich auch in den Wissenschaften wider: „Als ich an der Wirtschaftsuni Wien studierte, haben wir gelernt, dass Nachhaltigkeit in Finanzportfolios nicht vorkommt und viel hat sich seither nicht geändert“, erinnert sich Ritsch, die neuen Konzepte der 80er finden jetzt erst langsam Berücksichtigung an den Unis.

Nachhaltigkeit im Zeitgeist

Ritschs Ziel ist, den Anteil der Ethikfondes in Österreich auf 20% zu erhöhen, „dann wird es zum Selbstläufer“, hofft der Nachhaltigkeits-Experte.  Die Zeiten deuten auf eine solche Wende hin: Das Agieren der EZB habe viele erlernte Konzepte über den Haufen geworfen und internationale Entwicklungen bringen neuen Schwung in die Nachhaltigkeits-Debatte. Etwa die neue Enzyklika von Papst Franziskus, auch die Sustainable Development Goals oder die Klimakonferenz mit dem proklamierten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen: „Der Kapitalmarkt hat jetzt die Chance, etwas Gutes zu bewirken.“

Völlige Bankentransformation

Die Zukunft: Die Banken stehen wie die Versicherungen vor einer völligen Transformation ihrer Geschäftsmodelle, verbunden mit einer Schrumpfung ihrer Volumina. Laut Nationalbankchef Ewald Nowotny wird ein Drittel des Personals und der Zweigstellen verschwinden – manche sprechen gar von der Hälfte. Die Kundenfrequenz in den Filialen nimmt ab, „vielleicht wird man unseren digital native-Kindern eines Tages erklären müssen, was eine Bank ursprünglich war“, so Ritsch.

Dem Kapitalmarkt Moral beibringen

Direktbanken stehen hoch im Kurs – unter der Voraussetzung, dass die digitalen Assistenzinstrumente funktionieren. Eine Bank positioniert sich heute also entweder als digitale Bank oder als Beraterbank mit gutem Kundenkontakt. Ritschs Fazit: „Es gibt nix Gutes in einer schlechten Umgebung. Wir haben es heute in der Hand, dem Kapitalmarkt die Moral wieder zurückzugeben. Geld regiert die Welt, aber es ist ein Unterschied, wohin das Geld fließt.“ Sein Job bewegt längst auch sein Privatleben: „Ich sehe, wie Dinge in Bewegung kommen, das befriedigt mich.

 

Eine Genossenschaft fürs Gemeinwohl

Die BfG (Bank für Gemeinwohl) Genossenschaft hat die Vision, die ökonomische Landschaft Österreichs zu verändern und Unternehmen zu fördern, die sich dem Gemeinwohl widmen. Das Wohl der Gemeinschaft steht für sie im Vordergrund. Ziel der derzeit laufenden österreichweiten Kampagne ist das Sammeln von 15 Millionen Euro Genossenschafts-Kapital. Ab 200,- EUR kann jede und jeder zur Mitgründerin oder zum Mitgründer werden. Das Erreichen dieser Summe kann noch etwas länger dauern (derzeit sind 2,5 Millionen Euro gesammelt), doch es gibt aktuell Überlegungen, bereits 2017 mit einem Girokonto und einer Crowdfunding-Plattform am Markt aufzutreten. Das wird durch Österreichs neues, sehr fortschrittliches Alternativ-Finanzierungsgesetz möglich.

Peter Zimmer, Vorstand der BfG Genossenschaft

Fokus auf KMUs

Die BfG Genossenschaft orientiert sich nach nach einer Auszeichnung wie dem Umweltsiegel, sondern erstellt das Zertifikat selbst, nämlich die Gemeinwohlprüfung. Diese soll dann sehr transparent gehandhabt werden: „Bei uns wird jeder nachlesen können, wie die eingereichten Projekte bewertet wurden“, kündigt Genossenschafts-Vorstand Peter Zimmerl an, denn Transparenz zähle zu den wichtigsten Werten der neuen Alternativbank. Der Fokus der Bank für Gemeinwohl wird u.a. auf Unternehmen liegen, die nur schwer Kredite erhalten, etwa weil ihr Businessplan längere Laufzeiten hat als die üblichen drei bis fünf Jahre. Zimmerl sieht die Bank für Gemeinwohl als „neue Kraft im lokalen Umfeld“. Letzteres sei von klassischen Banken zusehends vernachlässigt worden, man habe sich in den letzten 15 Jahren mehr für Osteuropa interessiert. „Wir werden helfen, in Österreich Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, darin werden wir uns von manch anderen Finanzinstituten unterscheiden“, so Zimmerl.

Weniger Regulierung für Kleinbanken

Natürlich müsse man eine Bonitätsprüfung wie jede andere Bank vornehmen, räumt der Vorstand ein. Angesichts der rigiden Eigenkapital-Vorschriften der EU werden sich viele Projekte daher nur mithilfe von Alternativ-Finanzierung wie Crowdfunding realisieren lassen. „Die EU-Regulierung geht in eine falsche Richtung, Kleinunternehmen benötigen mehr Flexibilität“, fordert Zimmerl. Auch Basel 3 gewährleiste nicht, dass das Geld bei jenen, die es benötigen, auch wirklich ankomme.

Was tut die Bank mit meinem Geld?

In der BfG Genossenschaft sei eine hohe Bereitschaft zum Zinsverzicht für Spareinlagen beobachtbar: Bis zu 30% der befragten Genossenschafts-Mitglieder sind dazu bereit, sofern sie die Gewissheit  haben, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird, gibt Zimmerl Daten einer aktuellen internen Umfrage wieder. Das sei ein großer Vertrauensbeweis, der zeige, wie wichtig Transparenz ist: „Viele Menschen möchten wissen, was mit ihrem Geld passiert.“

Kundenkontakt und Digitalisierung

Die Zukunft: Die große Chance einer kleinen Bank liegt in deren Flexibilität – man kann Dinge rasch umsetzen. Quantitatives Wachstum ist ausgereizt, heute geht es um Ertragssteigerung. Die Zukunft der Banken liegt in der Digitalisierung, dabei gilt es, eine Community mit guter Kund/-innenbindung aufzubauen. „Support und ständiger Dialog mit den Kund/-innen ist wichtig, das geht auch ohne Zweigstellen“, weiß Zimmerl. Sein persönliches Resümee: „Mein Einsatz bei der BfG Genossenschaft ist für mich stimmig, weil es eine zutiefst sinnvolle Tätigkeit ist.“

Danke an oikos Vienna - students for sustainable economics and management an der Wirtschaftsuniversität Wien für die Organisation dieses Nachmittags http://oikos-international.org/vienna/